"Ein Seufzer, ein Lied. So übersetzt sich der Titel der neuen CD des Lisa Bassenge Trio. Schon nach fünf spannenden Sekunden wird klar, dass es sich bei diesem Seufzer um einen der Erleichterung handelt und man auch in puncto Liedgut aufatmen darf. Lisa Bassenge, "der verkörperte Popsong im Barkleid" (kreuz.com), beginnt das Album tatsächlich mit der ohrwurmenden Melodie von Kylie Minogues "Can't Get You Out Of My Head", geschickt reharmonisiert und auf sinnliche (und sinnige) Art und Weise zur Ballade entkleidet. Der Auftakt zu einer gut einstündigen klanglichen Entdeckungsreise, die neben der überraschend logischen Materialwahl noch etliches mehr zu bieten hat. Vor allem wieder Andreas Schmidts Virtuosität in Arrangement und Klavierspiel, den sagenhaft sensiblen Bass von Paul Kleber, Gastauftritte von Vibraphonist David Friedman, einer kammermusikalischen Stringsection oder dem Sänger Daniel Mattar, sowie selbstredend die "wandlungsfähige, nuancenreiche Stimme" (Büchergilde) der Lisa Bassenge, einer "Virtuosin des kunstvollen Glicksens, ( ... ) Meisterin des ins fast Unendliche verlängerten Aushauchens" (Berliner Zeitung). Die schroffen Klippen seichter Triogewässer, die gefährlich langweiligen Untiefen zahlloser Hotelbarformationen, umschiffen die drei Berliner und ihre Gäste auch auf ihrem zweiten Album mit Eleganz und Leichtigkeit.
"Irgendwo ist es auch Pop", meint die singende Leaderin, wo wir gerade von "Leichtigkeit" und "Popsongs im Barkleid" sprechen. Ob dieser Pop dem Jazz gut tut oder ihn schlecht macht, sollte man nicht überstürzt entscheiden. Fast alles was man im Realbook zu lesen bekommt, war irgendwann mal populär. "Und wenn man schon von den Standards des 20. Jahrhunderts spricht, muss man auch die letzte Hälfte dieses Jahrhunderts mit einbeziehen", meint Lisa Bassenge. Soll heißen, dass Jazzstandards nicht bei "My Favourite Things", "Imagination" oder "I Got It Bad And That Ain't Good" aufhören dürfen. "Es geht dabei auch um eine Dekonstruktion", meint die Vokalistin. "Oft kommen durch das Skelettieren von so fetten Produktionen, wie etwa bei dem Kylie?Song oder auch bei Madonnas "Like A Virgin" auf dem letzten Album, echte Schätze zum Vorschein. Es entsteht etwas ganz anderes, das vielleicht mit dem ursprünglichen Song gar nicht mehr so viel zu tun hat. "Als wir damit anfingen, Popsongs zu covern, hielten wir uns für Trendsetter. Oder bilden uns das auch immer noch teilweise ein. Trotzdem ist es mir aufgefallen, dass das von Herbie Hancock bis Holly Cole heutzutage echt viele machen." So viele es auch sein mögen, so selten entstehen dabei so fabelhafte "New Standards" wie beim Lisa Bassenge Trio. Nicht genug, dass diese Formation Kylie Minogues "Lalalala"? Hit aufs wunderbarste "skelettiert". Auf"A Sigh, A Song" werden außerdem einige Scheintote aus dem Repertoire von Elvis Presley ("Blue Suede Shoes", "It's Now Or Neuer'', "Are You Lonesome Tonight"), Perez Prado ("Pra Dizer A Deus"), Dean Martin ("Everybody Loves Somebody Sometimes"), Marilyn Monroe ("My Heart Belongs To Daddy"), Depeche Mode ("Shake The Disease"), Mary Wells ("My Boy"), sowie Tom Waits Torchsong "Ol' '55" und der traurige "Junimond" von Rio Reiser zu neuem Leben erweckt. Wie gut sich diese Neu?Interpretationen und die, gemeinsam mit den "Gästen" entstandenen, neuen Improvisationen auf "A Sigh, A Song" ergänzen, kann man nur unzureichend beschreiben. Das muss man sich schon anhören.
Bei Lisa Bassenge leben Eintagsfliegen eine Ewigkeit. . . . weil sie Pop zum Jazz veredelt und das einfach gut ankommt
Von Alexander Remler
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